„3 Fragen an …“ Özlem Topuz

Was bedeuten Demokratie und Teilhabe in unserer Gesellschaft? Wie stellen wir sicher, dass Demokratie für alle ist? Drei Fragen an Özlem Topuz, die für Jugendliche in den „Come as you are“-Seminaren Raum für Austausch und Begegnungen schafft.

Der Schwerpunkt von „Empowered by Democracy“ liegt auf jungen Menschen mit Fluchterfahrung. Welche Erfahrungen machen Sie in der Arbeit mit dieser Zielgruppe zum Thema Demokratie und Teilhabe?
Jede Demokratie ist eine Errungenschaft. Aber Demokratie ist eben nicht für alle zugänglich. Es geht darum, diese Zugänge zu schaffen und sie zu erhalten. Wir sollten Demokratie inklusiver denken und die Anliegen wirklich aller ernstnehmen. Häufig wird vorausgesetzt, dass junge Menschen, die zu uns kommen, kein Verständnis für Demokratie hätten oder dass sie die Demokratie nicht als Wert begreifen würden. Das ärgert mich, denn eigentlich sind diese jungen Menschen die größten Demokratiebefürworterinnen und -befürworter. Unter anderem deswegen kommen sie ja zu uns. Medial werden sie teilweise als die größten Demokratiefeinde dargestellt. Dabei haben wir selbst zunehmend hausgemachte Demokratiefeinde in Europa. Das eigentlich ist erschreckend.

„Vielfalt leben, Demokratie feiern!“ – so beschreiben Sie politische Teilhabe in der Migrationsgesellschaft. Ist die Demokratie für uns so selbstverständlich, dass wir sie gar nicht mehr wahrnehmen?
Ja, ich beobachte, dass die Demokratie vielen nicht bewusst ist. Häufig konsumieren wir sie einfach. Es reicht nicht, alle vier Jahre zur Wahl zu gehen. Wir sollten uns dieses Geschenk, das uns von all den Menschen durch ihre jeweiligen Kämpfe und ihrem Einsatz für eine gerechtere Welt gemacht wurde, immer wieder bewusstmachen. Häufig sind junge Menschen mit Fluchterfahrung in diesen Themen sehr viel reflektierter als diejenigen, die hier aufgewachsen sind. Die Neuzugezogenen machen uns wieder bewusst, dass unsere demokratischen Werte eine große Errungenschaft sind. Wie uns die Vergangenheit gelehrt hat, ist Demokratie eben nicht selbstverständlich. Jede und jeder Einzelne muss sich dafür stark machen, dass das so bleibt.

Ihre Arbeit richtet sich unter anderem an Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund. Was möchten Sie für diese Teilnehmer*innen erreichen?
Der sogenannte Migrationshintergrund wird oftmals so sehr in den Vordergrund gestellt, dass der Mensch dahinter nicht mehr sichtbar ist. Für diese Sichtbarkeit zu sorgen, sehe ich als meine Aufgabe. Aber ich würde nicht sagen, dass sich meine Arbeit nur um Mädchen und Frauen mit Migrationsbiografie dreht. Als Kind war mir mein sogenannter Migrationshintergrund gar nicht bewusst. Diese Erkenntnis kam erst in der Grundschule. Ich musste mich ständig erklären – viel mehr als andere Gleichaltrige. Das hat mich wahnsinnig genervt. Irgendwann hatte ich mein gesamtes Umfeld soweit, dass diese Fragen nicht mehr unreflektiert gestellt wurden. Mit 12 Jahren dachte ich „Yeah, ganz Deutschland wird mit mir erwachsen“. Erst später habe ich realisiert, dass sich die Situation im Wesentlichen für mich verändert hatte. Dass Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund auf ewig markiert und ausgeschlossen werden, gab und gibt es weiterhin. Diesen Schmerz möchte ich ihnen ersparen.

Über Özlem Topuz
Özlem Topuz leitet das Projekt „alltäglich gemeinsam“ für die Alte Feuerwache e. V.. Mit der Jugendbildungsstätte Kaubstraße koordiniert und organisiert sie im Rahmen von „Empowered by Democracy“ das Begegnungsformat „Come as you are“. Es bietet jungen Menschen mit und ohne Fluchtgeschichte eine Plattform, um sich in ihren Unterschiedlichkeiten zu begegnen und ihre Gemeinsamkeiten auf vielfältigen Wegen zu erfahren. Dabei gibt es einen kreativen, sehr individuellen Teil, in dem die Jugendlichen etwas selbst produzieren und einen körperlich aktiveren Teil, der die Jugendlichen als Gruppe mit viel Spaß zusammenbringt.